Tradition und Fortschritt verbinden
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Schaubilder: Methodologie praktischer Wissenschaften
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1. Schaubild: Statisch-geschlossene versus dynamisch-offene Wissenschaftskonzeptionen
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Nr. |
Elemente statisch-geschlossener Wissenschaftskonzeptionen |
Elemente
dynamisch-offener Wissenschaftskonzeptionen |
1. |
Allgemeingültige
Maßstäbe, einheitliche Methodologie, eine Wissenschaft, eine Methodologie,
ein theoretisches Paradigma. |
Methodologischer Pluralismus, Verfeinerung existierender und Erstellung neuer
Methodologien.
Grenzen und Möglichkeiten wissenschaftstheoretischer Grundlagen und
wissenschaftlicher Werkzeuge werden
neu vermessen und dauernd weiterentwickelt. |
2. |
Vorgehensweise:
Assoziativ, persuasiv, agitativ,
synoptisch-integrativ. |
Vorgehensweise:
Argumentativ, kritisch,
stringent, selbstreflexiv, systematisch. |
3. |
Entdifferenzierung, Holismus,
Totalität. |
Differenzierung,
Professionalisierung, Spezialisierung. |
4. |
Historische Gesetze, teleologisches
Geschichtsverständnis (Heilserwartungen und historische Gesetze), ewigliche, unveränderliche
Ordnungen. |
Ablehnung von historischen Gesetzen und
teleologischen Geschichtsphilosophien. |
5. |
Normativ-statisches Verhältnis zur Sprache. |
Konstruktivistisches, nominalistisches Verhältnis zur Sprache,
Grenzen und Möglichkeiten von sprachlichen und logischen Werkzeugen werden dauernd überprüft
und weiterentwickelt. |
6. |
Absolute
Wahrheitssuche, Certismus (Gewissheitsstreben, Suche nach dem archimedischen Punkt, z.B. cogito, ergo
sum). |
Wenn-dann-Struktur wissenschaftlicher
Sätze,
damit ist keine Relativität des Anspruches verbunden, da die Beziehung zwischen
Voraussetzung und Folge einen absoluten Wahrheitsanspruch enthält
(es geht um Erkenntnisse von Sachverhalten unter Voraussetzungen).
|
7. |
Keine
Sein-Sollen-Unterscheidung. |
Unterscheidung zwischen Sein und Sollen. |
8. |
Geschlossenes
Weltbild, Ideologie, Weltanschauung. |
Mit
wissenschaftlichen Werkzeugen wird Wissen generiert, das
wissenschaftstheoretischen Grundlagen (Grenzen, Kriterien und Eigenschaften
wissenschaftlicher Diskurse) genügt. Wissen wird dauernd
überarbeitet, weiterentwickelt oder verworfen. |
9. |
Identität von Staat und Gesellschaft. |
Unterscheidung zwischen Staat
und Gesellschaft sowie den unterschiedlichen Teilsystemen: Recht, Politik, Kultur, Wirtschaft. |
10. |
Absolute Werte. |
Demokratische Verfahren, Vertragstheorien, Verfassungsstaat,
demokratischer Rechtsstaat. |
Details siehe 2. Kapitel: Wissenschaftstheoretische Grundlagen: Partizipative Wissenschaftsmethodologie,
methodologischer Konstruktivismus und dynamisch-offene Wissenschaftskonzeption. |
3. Schaubild:
Methodologischer
Reduktionismus versus methodologischer Pluralismus
|
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3.1 Methodologischer Reduktionismus
|
3.2 Methodologischer Pluralismus
|
3.1.1
Begriffsebene |
Reduktion normativer
auf empirische Begriffe oder Verbannung normativer Begriffe aus dem
wissenschaftlichen Diskurs. |
Empirische und
normative Begriffe unterscheiden sich grundlegend voneinander. Normative Begriffe können nicht auf empirische Begriffe
reduziert werden. |
3.1.2
Satzebene |
Reduktion
von Normen auf Aussagen oder
Verbannung von Normen aus dem wissenschaftlichen Diskurs.
Nur
wahrheitsdefinite Aussagen werden akzeptiert. |
Es gibt einen
strukturellen Unterschied zwischen Aussagen, Normen und Regeln.
Normen und Regeln können nicht auf (empirische)
Aussagen reduziert werden.
|
3.1.3
Theorieebene |
Praktisch-normative Diskurse
und damit auch praktische Theorien
werden als
unwissenschaftlich abgelehnt, soweit diese
nicht mit einer
empirischen Methodologie bearbeitet werden können. |
Wissenschaftliche Theorien
bestehen aus Aussagensystemen, Normierungen oder Regulierungen, also nicht
nur aus Aussagen-, sondern auch aus genuin praktischen Normierungs- und
Regulierungssystemen. |
3.1.4
Logikebene |
Reduktion aller formalen
Analysen normativer Diskurse auf die deontische Logik, eine Variante der Modallogik. |
Auf der Logikebene
wurden die meisten Argumente gegen einen methodologischen Reduktionismus
vorgebracht, die Argumente in historischer Reihenfolge:
- Humes-Sein-Sollen-Dichotomie,
-
Naturalistische Fehlschluss,
-
Deontische Logik (Sein-Sollen-Logik) versus Normenlogik
(Tun-Sollen-Logik),
- Sein-Sollen-Dichotomie logisch
betrachtet,
-
Brückenprinzipien.
|
3.1.5 Argumentationsebene |
Reduktionistische Argumentationsweisen:
- Äquivalenz zwischen
Kausalität und Handlung,
- theoretische und angewandte Wissenschaften,
- Sein-Sollen-Verhältnis
- Erklären-Verstehen-Debatte,
- Bevorzugung deduktiver Argumentationsweisen,
- Ein Abgrenzungskriterium .
|
Kritik reduktionistischer Argumentationsweisen bzw. Argumente für
pluralistische
Argumentationsweisen:
- Keine Äquivalenz zwischen Kausalität und
Handlung,
-
empirische und praktische statt theoretische und angewandte
Wissenschaften,
- Sein-Sollen-Verhältnis bzw. Wertproblematik: Normen können mit empirischen Werkzeugen nicht
begründet werden,
-
Komplementarität zwischen Erklären und Verstehen,
- Vielzahl prinzipiell unterschiedlicher Argumentationsweisen,
- zehn methodologische Ebenen der Evaluation statt eines Abgrenzungskriteriums.
|
3.1.6 Eigenschaften wissenschaftlicher Diskurse
|
Wissenschaft begründet nur wahrheitsdefinite Aussagen, d.h., Aussagen sind entweder wahr oder falsch.
|
Da Normen und Regeln nicht wahrheitsdefinit sind (vgl. Jørgensen-Dilemma),
können diese nicht auf normative Aussagen reduziert werden.
Wahrheit ist nicht die einzige Eigenschaft
wissenschaftlicher Erörterungen. Wissenschaftliche Diskurse haben folgende regulativen Ideen bzw. in wissenschaftliche Diskurses können
folgende Eigenschaften ermittelt werden:
-
Wahrheit ist die
regulative Idee analytischer und empirischer (diskursiver, explanativer und prognostischer) Diskurse.
Aussagen sind entweder wahr oder falsch.
-
Gültigkeit und Gerechtigkeit sind die regulativen Ideen normativer Diskurse, innerhalb deren die Prädikate richtig oder falsch bzw. gerecht oder ungerecht verwendet werden, Richtigkeit für den Diskurs innerhalb der
Ethik auf der Individualebene und Gerechtigkeit für den politisch-normativen Diskurs.
-
Klugheit
und Wünschbarkeit
sind die regulativen Ideen pragmatischer Diskurse, innerhalb deren die Prädikate
klug oder
unklug wünschenswert bzw. unerwünscht gebraucht werden.
-
Effektivität ist die regulative Idee technischer Diskurse, hier werden die Eigenschaften effektiv und uneffektiv verwendet (vgl. 4.3.6 Eigenschaften
wissenschaftlicher Diskurse).
|
Details siehe 4. Kapitel: Methodologischer Reduktionismus wissenschaftstheoretischer Neoplatonismus) versus methodologischer Pluralismus (wissenschaftstheoretischer Neoaristotelismus).
|
4. Schaubild: Struktureller Unterschied
zwischen empirischen und praktischen Werkzeugtypen, Wissensformen sowie Wissenschaften
|
Auf neun von zehn methodologischen Ebenen (auf der Ebene der Begriffe, Sätze, Theorien, Logiken, Argumentationsweisen, Methoden, methodischen Ansätzen,
Aufgaben und Eigenschaften wissenschaftlicher Diskurse) wurden grundsätzliche Differenzen zwischen empirischen und praktischen Werkzeugen festgestellt, die es rechtfertigen, zwischen verschiedenen Werkzeugtypen zu differenzieren. Aufgrund der zentralen Bedeutung wissenschaftlicher Methodologie begründen
verschiedene Werkzeugtypen auch einen strukturellen Unterschied zwischen empirischem und praktischem Wissen sowie empirischen und praktischen Wissenschaften. |
Werkzeugstypen |
empirische Werkzeugstypen
|
praktische Werkzeugstypen
|
Wissenschaftstypen |
empirische Wissenschaften |
praktische Wissenschaften |
Wissensformen |
empirisches (deskriptives, explanatives und prognostisches) Wissen |
praktisches (normatives, pragmatisches und technisches) Wissen |
1. Begriffsebene |
quantitative bzw. metrische Begriffe |
qualitative bzw. klassifikatorische Begriffe |
praktische (normative, pragmatische und technische) Begriffe |
2. Satzebene |
explanative und
prognostische Aussagen |
deskriptive Aussagen |
Normen sowie pragmatische und technische
Regelungen |
3. Theorieebene |
empirische Theorien bestehen aus quantitativen und qualitativen Aussagensystemen, auch Aussagen über Normen und Regelungen. |
praktische Theorien bestehen aus Regulierungen,
d.h. Systemen von Aussagen und Regelungen. |
4. Logikebene Formale Schlüsse
bezogen auf
Begriffe oder Sätze |
wahrheitsdefinite Aussagen- und Prädikatenlogik sowie Modallogiken:
Alethische Modallogik:
Es ist notwendig/unmöglich/möglich/kontingent, dass [...]
Epistemische (doxastische) Logik:
Es wird geglaubt/unmöglich gehalten/denkbar, dass [...]
Zeitlogik:
Es wird immer/war immer/wird einmal/war einmal der Fall
(sein), dass [...]
Deontische Logik (Sein-Sollen):
Es ist geboten/verboten/erlaubt/indifferent, dass [...] |
Normenlogik (Tun-Sollen, nicht Sein-Sollen Logik der Imperative, Interrogativlogik,
juristische Logik, Durchführungslogik.
Im Gegensatz zur klassischen Logik sind diese nicht wahrheitsdefinit.
Wirksamkeit und Richtigkeit,
Prima-facie-Eigenschaft von ethischen Normen und politischen Handlungsmaximen.
Normenkonflikte und Normenvermittlung. |
5. Argumentationsebene Argumentationsweisen
wissenschaftlicher
Theorien bzw. logische
Struktur
wissenschaftlicher
Argumentationen |
analytische, dialektische, empirische, evolutionäre und hermeneutische Argumentationsweisen |
praktische Argumentationsweisen |
Erklären-Verstehen-Debatte komplementär gedacht |
praktische, substanzielle Argumentation (Toulmin
Model of Argument),
praktischer Syllogismus und
pragmatischer Syllogismus. |
Erklären |
Verstehen |
deduktive, analytische,
schlussregel-gebrauchende,
schlüssige, formal gültige
Argumentationsweisen:
deduktiv-nomologisches
Modell (oder HO-Schema),
evolutionäres
Erklärungsmodell etc. |
induktive, substantielle,
schlussregel-begründende,
tentative, formal nicht
gültige, epagogische
Argumentationsweisen:
Hegel’sche Dialektik,
hermeneutische Zirkel als
Spiralbewegung des
Verstehens. |
Aristotelische Topik |
6. Methodenebene
am Beispiel der
Politikwissenschaft.Generierung und
Evaluation von
Sachverhalten |
empirische Methoden |
praktische Methoden |
quantitative Methoden:
Inhaltsanalyse,
Verfahren der
Datenerhebung
(Befragung),
statistische Verfahren etc. |
qualitative Methoden:
Inhaltsanalyse,
Dokumentenanalyse,
teilnehmende Beobachtung,
Diskursanalyse etc. |
Argumentieren, Diskurs, Deliberation,
Mediation, Verhandeln,
kategorischer Imperativ,
Evaluation, Implementationsplanung,
Synopse,
Technologiefolgeabschätzung (TA) etc. |
Triangulation: Die Anwendung
quantitativer und qualitativer Methoden auf ein Phänomen. |
7. Ebene der
methodischen Ansätze
am Beispiel der
Politikwissenschaft.
Generierung und
Evaluation von
Theorien
|
Ansätze mit empirischen und praktischen Elementen |
Stückwerk-Sozialtechnik, synoptischer, praktisch-normativer, kritisch-dialektischer (Frankfurter Schule), empirisch-normativer, argumentativer sowie pragmatischer Ansatz. |
empirische Ansätze |
praktische Ansätze |
behavioristischer Ansatz, Rational-Choice-Ansatz,
quantitativ-vergleichender Ansatz. |
kulturalistischeAnsätze: Policy Narratives,
Policy Frames,
Policy Diskurse.
|
Diskursansatz,
partizipative Policy-Ansatz,
Good Governance Ansatz,
dezisionistischer Ansatz,
normativer Ansatz,
pragmatischer Ansatz,
synoptischer Ansatz und
technischer Ansatz. |
funktionalistischer, strukturalistischer, institutioneller sowie historischer Ansatz, Governance-Ansätze, quantitativ und qualitativ vergleichender Ansatz, Akteurszentrierte (Entscheidungsarenen, Netzwerke, Tausch- und Verhandlungssysteme, Regime) Ansätze,
Advocacy-Koalitionen-Ansatz. |
Dieses Schaubild gibt es
auch im PDF-Format:
4. Schaubild: Struktureller Unterschied zwischen empirischen und
praktischen Werkzeugtypen, Wissensformen sowie Wissenschaften.
Details siehe 5. Kapitel: Strukturelle Unterschiede: Werkzeugtypen, Wissensformen, Wissenschaftstypen, Wissen versus Können sowie Theorie versus Praxis. |
5. Schaubild: Wissen versus
Können, Theorie versus Praxis
|
5.1 Wissen, Theorie
oder
theoretisches Können
Akteure:
Wissenschaftler z.B. Politikwissenschaftler generieren empirisches oder/und
praktisches Wissen, Naturwissenschaftler empirisches Wissen,
Technikwissenschaften praktisches Wissen.
Eigenschaften des Wissens siehe Eigenschaften
(Prädikate) wissenschaftlicher Diskurse |
Wissensform:
Analytisches Wissen
in Form von Aussagen. |
Begriffliche und logische Wahrheiten
in Form von nichtempirischen, wahrheitsfähigen Aussagen. |
Wissensform:
Empirisches Wissen in Form von
natur- oder sozialwissenschaftlichen
Aussagen oder Aussagensysteme, auch Aussagen über Normen und
Regeln.
Wissenschaftstyp:
Empirische (theoretische)
Wissenschaften.
Beispiele: Naturwissenschaften, empirische
Sozialwissenschaften.
Beim analytischen und empirischen Wissen handelt es sich auch um
propositionales Wissen, weil beide in Aussageform formuliert werden. |
Deskriptives Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen
wahrheitsdefiniten Beschreibungen.
|
Explanatives Wissen
in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen
wahrheitsdefiniten Erklärungen.
|
Prognostisches Wissen in Form von natur- oder sozialwissenschaftlichen
wahrheitsdefiniten Voraussagen. |
Wissensform:
Praktisches Wissen
Wissenschaftstyp:
Praktische (normative, pragmatische und technische) Wissenschaften.
Beispiele: Medizinwissenschaften, Technikwissenschaften, praktische
Sozialwissenschaften.
Praktisches Wissen besteht aus drei verschiedenen Komponenten:
|
Normatives Wissen
in Form von Handlungsmaximen und
normativen Urteilen, die richtig oder falsch bzw. gerecht oder ungerecht
sind, z.B. ärztliche Ethik. |
Pragmatisches Wissen
in Form von Handlungsstrategien
und pragmatischen Urteilen
bestehend z.B. aus verschiedenen methodischen Ansätzen eine Krankheit zu heilen. Pragmatische Regeln sind
klug oder
unklug wünschenswert bzw. unerwünscht. |
Technisches Wissen
in Form von Handlungsinstrumenten und
technischen Urteilen bestehend z.B. aus Methoden, die konkrete technische Regeln
enthalten, eine Krankheit zu heilen. Technische Regeln
sind effektiv oder uneffektiv. |
5.2 Können
Akteure:
Praktiker: Bürger,
Politiker, Beamte, Verwalter, Unternehmer können politische
Entscheidungen bewirken. |
Praktische Kompetenz empirisches und praktisches Wissen umzusetzen, etwas machen können z.B. die
Kunst des Arztes,
Handwerkers,
Ingenieurs, Lehrers, Managers,
Politikers, Wissenschaftlers auf seinem Gebiet hervorragende
Leistungen zu erbringen. Das Können besteht aus Dispositionen, Kompetenzen, Fertigkeiten, wie man etwas macht. Hier handelt es sich um den Bereich, der unter dem Label implizites, nicht-propositionales Wissen behandelt wird.
Es handelt sich nur um einen Teilbereich des Know hows, dem des praktischen Könnens. |
5.3 Theorie, Wissen oder
theoretisches Können:
Erkenntnis- und Wissenssphäre bzw. gnoseologische Sphäre
|
Ein Wissenschaftler ist immer ein Theoretiker egal, ob er mit einer empirischen Methodologie empirische Aussagen über die
politische Realität trifft oder ob er mit einer praktischen Methodologie auch
Normierungen bzw. Regulierungen begründet. Im ersten Fall generiert er
empirisches Wissen, im zweiten praktisches Wissen.
Es gibt keine angewandte
Wissenschaften, sondern nur praktische Wissenschaften
sowie wissenschaftlich ausgebildete
Praktiker, die Wissen anwenden, und Wissenschaftler, die Wissen
generieren.
|
5.4 Praxis:
Sphäre des Handelns
|
Ein Praktiker (Bürger,
Politiker, Beamter, Verwalter, Unternehmer)
verändert die (politische) Realität, sei es nun, dass er auf
wissenschaftlich begründetes empirisches
und praktisches Wissen rekurriert und
rationale Entscheidungen fällt oder subjektive
Bauchentscheidungen trifft.
Theorie und Praxis werden komplementär und nicht hierarchisch
gedacht. Auch eine Äquivalenz zwischen beiden, wie im Bacon-Programm üblich,
wird abgelehnt. |
Details siehe: 5.2 Struktureller Unterschied zwischen verschiedenen Wissensformen sowie 5.4.3 Praktisch-politische (normative, pragmatische und technische) Begriffe und Diskurse. |
6.
Schaubild: Empirische (deskriptive, explanative und prognostische)
Wissenschaften
|
6.1 Aufgaben
und Ziele empirischer Wissenschaften |
Beschreibungen,
Sachverhalte, gesetzesartige Verallgemeinerungen,
Wahrscheinlichkeitsaussagen, Erklärungen und Prognosen zu konstatieren.
Erkenntnis
steht im Vordergrund.
|
6.2 Gegenstandsbereich empirischer Wissenschaften |
Der Gegenstandsbereich empirischer
Wissenschaften ist inhaltlich nicht beschränkt. Natur-
und Geisteswissenschaften gehören zu den empirischen Wissenschaften,
d.h., sie können mit einer empirischen Methodologie bearbeitet werden.
Hier geht es nur um Faktenfragen, nicht um Geltungsfragen.
Das
Praktische
und das Empirische sowie Theorie (empirisches und praktisches
Wissen) und Praxis
(Können) bilden einander ausschließende Gegensätze und nicht das
Theoretische und das Empirische. Geistes- und
Naturwissenschaften verbindet die Orientierung an der Erfahrung
(vgl. 5. Schaubild).
|
6.3
Wissensform |
Empirisches (deskriptives, explanatives und prognostisches) Wissen. |
6.4 Grenzen empirischer Wissenschaften
oder Grenzen empirischer Werkzeuge
(Begriffe, Sätze, Theorien, Logiken, Argumentationsweisen, Methoden
und methodische Ansätze). |
Siehe Aufgaben und Grenzen wissenschaftlicher Diskurse (2. Schaubild). |
6.5 Kriterien
empirischer Wissenschaften |
Siehe Kriterien wissenschaftlicher Diskurse. Rationalitätspostulate: Methodologische (argumentative, logische, methodische und sprachliche) Präzision
(2. Schaubild). |
6.6 Eigenschaften empirischer Wissenschaften |
In der Regel wahrheitsdefinite (entweder wahre oder falsche)
Aussagen oder Aussagensysteme. |
6.7
Begriffsebene empirischer Wissenschaften |
Empirische Theorien verwenden sowohl
quantitative bzw.
metrische
als auch qualitative bzw.
klassifikatorische Begriffe. |
6.8
Satzebene empirischer Wissenschaften |
Empirische Theorien
enthalten deskriptive,
explanative und
prognostische Aussagen. |
6.9
Theorieebene empirischer Wissenschaften |
Empirische Theorien bestehen aus
Aussagensystemen,
auch Aussagen über
Normen und
Regeln. |
6.10
Logikebene empirischer Wissenschaften
|
Wahrheitsdefinite
Aussagen- und
Prädikatenlogik sowie
Modallogiken. Formale Schlüsse
bezogen auf empirische Begriffe
und Sätze, in diesem Fall auf Aussagen. |
6.11 Argumentationsebene empirischer Wissenschaften
Argumentationsweisen bzw. logische Struktur
empirischer Theorien
|
A. Empirische und
praktische Argumentationsweisen
- Argumentationsmodell von Toulmin
(Toulmin Model of Argument)
- Argument Maps
B. Empirische Argumentationsweisen
- Deduktive,
analytische, schlussregel-gebrauchende, schlüssige, formal gültige Argumentationsweisen;
Beispiele: Deduktiv-nomologisches Modell (HO-Schema),
evolutionäres Erklärungsmodell.
- Induktive, substantielle, schlussregel-begründende, tentative, formal nicht gültige Argumentationsweisen;
Beispiele: Hegelsche Dialektik,
hermeneutische Zirkel als Spiralbewegung des Verstehens,
Argumentationsmodell von Toulmin, Argument maps.
|
Details siehe: 5.4.1 Empirische (deskriptive, explanatorische und prognostische) Wissenschaften. |
7.
Schaubild: Praktische (normative, pragmatische und technische)
Wissenschaften
|
7.1 Aufgaben
und Ziele praktischer Wissenschaften |
Praktische (normative,
pragmatische und technische) Wissenschaften ermöglichen sowohl
Regulierungsvorschläge als auch Fragen danach,
was zu tun sei, zu
erörtern, zu begründen und zu beurteilen. Praktische Vernunft als
handlungsleitende Vernunft soll allgemeinverbindliche Normen ermöglichen,
begründen und rechtfertigen. Die Normen sollen auch auf individuelle,
konkrete Situationen angewandt werden, der Handelnde soll zu seinem
Verhalten motiviert werden. Weiterhin müssen Ordnungen gestaltet werden, die
ein Miteinander ermöglichen. |
7.2 Gegenstandsbereich
praktischer Wissenschaften |
Hier geht es nicht um Faktenfragen, sondern um Geltungsfragen, d.h. Normierungen und Regulierungen stehen im Fokus
der Untersuchungen. |
7.3
Wissensform |
Praktisches (normatives,
pragmatisches und technisches) Wissen. |
7.4 Grenzen praktischer
Wissenschaften oder Grenzen praktischer Werkzeuge
(Begriffe, Sätze, Theorien, Logiken, Argumentationsweisen, Methoden und
methodische Ansätze) |
siehe Grenzen wissenschaftlicher Diskurse
(2. Schaubild)
Die Grenzen der theoretischen Vernunft sind
gleichzeitig auch Grenzen der praktischen Vernunft, weil die
Ergebnisse der theoretischen Wissenschaften bei der Erstellung von
praktischen Theorien (Normierungen bzw. Regulierungen) berücksichtigt
werden müssen, da in vielen Normierungen auf den Stand von
Wissenschaft und Forschung ausdrücklich Bezug genommen wird.
Normenkonflikte und
Normenvermittlung.
Die praktische Vernunft kann also prinzipiell keine definitive Antwort
geben, was zu tun ist. Wenn prinzipielle Lösungen nicht möglich
sind, dann bleibt es nur bei Annäherungen oder verschiedenen
Alternativen.
Handeln verlangt aber eine definitive Antwort, diese wird nun in
Form einer Entscheidung bzw. durch konkretes Handeln vorgenommen, wobei
Nicht-Entscheiden bzw. Nicht-Handeln auch eine Entscheidung bzw. Handeln
ist.
Das Feld muss nun meiner Meinung nach nicht einem willkürlichen
Dezisionismus überlassen werden. Die Rationalität kann uns hier
entscheidend weiterhelfen, dadurch dass sie uns rationale
Entscheidungsregeln zur Verfügung stellt, z.B. die vielen demokratischen Entscheidungsverfahren.
Entscheidungssysteme können die oben genannten Defizite
(Grenzen der praktischen Vernunft) nicht aufheben, sondern sie liefern ein zusätzliches rationales Begründungsverfahren, da mehrere Alternativen zur Auswahl stehen. Vor allem werden damit für alle verbindliche Regeln geschaffen und es wird eine Haftung für die Folgen übernommen. |
7.5 Kriterien praktischer Wissenschaften |
Siehe Kriterien wissenschaftlicher Diskurse. Rationalitätspostulate: Methodologische (argumentative, logische, methodische und sprachliche) Präzision
(2. Schaubild). |
7.6
Eigenschaften praktischer Wissenschaften |
Im Gegensatz zur klassischen Logik sind Normen
bzw. Regeln sowie Normierungen
bzw. Regulierungen nicht wahrheitsfähig. Regulierungen sind richtig
oder falsch,
sofern es sich um
Handlungsmaximen handelt. Handlungsstrategien, Handlungsinstrumente und
Handlungsanweisungen sind effektiv
(wirksam) oder uneffektiv
(unwirksam). |
7.7 Begriffsebene
praktischer Wissenschaften |
Praktische Theorien verwenden praktische (normative,
pragmatische und
technische) Begriffe. |
7.8
Satzebene praktischer Wissenschaften |
Praktische
Theorien enthalten
ethisch-moralische Normen
(Handlungsmaximen), pragmatische und
technische
Regeln (Handlungsstrategien),
Normierungs- und Regulierungssysteme (Handlungsinstrumente) und praktische
Urteile (Handlungsanweisungen). |
7.9
Theorieebene praktischer Wissenschaften |
Praktische Theorien bestehen aus
Normierungen bzw.
Regulierungen,
d.h. Systemen
von Aussagen
und Regeln.
Es handelt sich dabei um präskriptive, nachprüfbare und
begründungsfähige praktische (normative, pragmatische und
technische) Theorien, keine Aussagen über Normen. |
7.10
Logikebene praktischer Wissenschaften
Formale Schlüsse bezogen auf praktische Begriffe und Sätze, in diesem Fall auf Normen pragmatische oder technische Regeln |
Normenlogik (Tun-Sollen,
nicht Sein-Sollen). Juristische Logik.
Durchführungslogik: effektiv oder
uneffektiv.
Pragmatische und technische Regeln und
ihre formalen Beziehungen können
nicht mit der
Aussagen- und Modallogik wiedergegeben werden,
sondern bedürfen einer Durchführungslogik
aufgrund der logischen Struktur des technischen Wissens. Das technische
Wissen hat damit einen Sui-generis-Charakter
und
Technikwissenschaften sind
keine angewandte Naturwissenschaft. |
7.11 Argumentationsebene praktischer Wissenschaften
Argumentationsweisen bzw. logische Struktur praktischer
Theorien |
A. Empirische und
praktische Argumentationsweisen:
- Argumentationsmodell von Toulmin
(Toulmin Model of Argument),
- Argument
Maps.
B. Praktische Argumentationsweisen
- Praktischer
Syllogismus
-
Intentionalistischer Syllogismus
-
Pragmatischer Syllogismus
|
Details siehe: 5.4.2 Praktische (normative, pragmatische und technische) Wissenschaften sowie 5.4.3 Praktisch-politische (normative, pragmatische und technische) Begriffe und Diskurse. |
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